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Interview mit Frau Sprafke, Ortsvorsteherin im Stadtteil Nord Holland

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1) Zunächst ein kleiner Ausflug zu Ihrer Funktion: Was ist eigentlich eine Ortsvorsteherin? – Eine Ortsvorsteherin wird von den Bürgern auf fünf Jahre gewählt und arbeitet ehrenamtlich, bis auf 125 Euro Aufwandsentschädigung pro Monat, die für Kopien, Autofahrten etc. aber auch benötigt werden. Eigentlich macht man alles. Man ist die Verbindung von den Bewohnern zum Rathaus, hat beispielsweise Mitspracherecht bei Straßennamen, unterstützt Projekte und ist mit für den Haushalt der Stadt Kassel des Ortsteils verantwortlich. Mit Nord Holland bin ich also für den zweitgrößten Stadtteil verantwortlich, also für 16.000 Menschen. In Nord Holland gibt es 34.640 Ausländer. Außerdem sind wir auch der Stadtteil mit den durchschnittlich jüngsten Menschen.

2) Was für einen Aufwand bedeutet die Aufnahme der Flüchtlinge für Kassel beispielhaft an Ihrem Stadtteil Nord Holland? – Der Aufwand für die Stadt Kassel ist riesig, da nie genau organisiert werden kann. Die Stadt hat keinen Einfluss auf die Zuweisungen von Flüchtlingen. Es kann passieren, dass die Stadt heute einen Anruf bekommt, dass in drei Tagen 30 Flüchtlinge kommen.

3) Worin besteht der Unterschied zwischen Migranten, Asylanten und Flüchtlingen? – Flüchtlinge haben nach dem Genfer Flüchtlingsabkommen das Recht, nach Deutschland zu kommen. Flüchtlinge sind z. B. Syrer oder Afghanen. Sie erhalten sofort das Bleiberecht, Arbeit, Sozialhilfe, Deutschunterricht und haben das Recht auf Familienzusammenführung. Sie werden also ziemlich schnell integriert und fallen, weil es sehr wenige sind, nicht wirklich auf. EU-Bürger dürfen natürlich auch kommen. Da in Mazedonien und Serbien kein Krieg mehr ist, müssen die Flüchtlinge jedoch meist zurück. Asylanten, die noch nicht anerkannt worden sind, erhalten – meiner Meinung nach leider – keinen Deutschunterricht. Außerdem gibt es auch Armutszuwanderer aus Osteuropa. Beispielsweise sind das Roma, Bulgaren und Rumänen. Von diesen gibt es etwa 2.000 in Nord Holland. Sie bekommen Kindergeld, wenn sie ihre Kinder in der Schule anmelden. In die Schule gehen die Kinder aber trotzdem nur sporadisch. Aber das ist zu verstehen, weil meistens viele verschiedensprachige Kinder gemeinsam in eine ganz normale Klasse kommen. 80 % der Kinder sprechen durchschnittlich kein Deutsch. Natürlich haben die Kinder dann einen großen Förderungsbedarf, aber da gibt es einfach zu wenig Sozialarbeit an den Schulen. Die Lehrer haben weder eine zusätzliche Ausbildung noch professionelle Unterstützung. Nach der Schule folgt meistens die Berufsschule. Doch auch die Berufsschulpflicht funktioniert nicht. Von vielen wird sie einfach ignoriert. Die Lehrer und Organisationen wie Jafka oder das Kulturzentrum Schlachthof bemühen sich, doch das ist alles sehr schwierig.

4) Wo sollen die Flüchtlinge in Kassel untergebracht werden? – Asylanten sind derzeit in der Jägerkaserne und in der Druseltalstraße untergebracht. Auch in der Steulschule leben vorübergehend 120 Menschen. Das Containerdorf, in dem die Flüchtlinge evtl. unterkommen, ist ebenfalls zu nennen.

5) Ist diese Unterbringung in einem Containerdorf Ihrer Meinung nach eine gute Lösung? – Nein, ich finde nicht, dass das Containerdorf eine gute Lösung ist. Wohnungen würden für mehr Kontakt mit anderen Menschen sorgen und die Integration dadurch fördern. Klar kann man den Flüchtlingen nicht einfach eine Wohnung zuweisen und sie dann alleine lassen. Man müsste natürlich dafür sorgen, dass sie anfangs regelmäßig Unterstützung von Sozialarbeitern auch dort funktioniert. Diese helfen beispielsweise bei fehlender Sprachkenntnis oder anstehenden Amtsbesuchen. Doch das ist ein großer finanzieller und organisatorischer Aufwand. Im Moment stellt man Forderungen an die Bundesregierung, damit die Kosten für die Flüchtlinge übernommen werden. Fachleute sagen außerdem, dass Sammelunterkünfte erst einmal besser sind, weil die Traumatisierten sich gegenseitig helfen können.

6) Wie gehen die unterschiedlichen ethnischen Gruppen miteinander um? – Die unterschiedlichen Gruppen bleiben eigentlich unter sich. Türken, die schon lange in Deutschland sind, mögen Armutszuwanderer gar nicht. Übergriffe oder sichtbare Anfeindungen gibt es aber nicht. Es herrscht eher eine stille Akzeptanz. Nur im Juni beim Frühlingsfest wird alles multikulturell.

7) Hören Sie auch von Auseinandersetzungen zwischen Rechtsradikalen und Flüchtlingen? Wenn ja, wo? – Mit Rechtsradikalismus bin ich außer durch Sprayer und dem schlimmen NSU-Prozess nicht in Verbindung gekommen. Es gibt zwar die rechtsradikale Gruppe Sturm18 in Kassel, aber die sind nicht gewalttätig.

8) Was sagen Sie dazu, dass Flüchtlinge meistens in den sozial schwächeren Gegenden untergebracht werden? – Ich finde das nicht gut, weil es sehr schlecht für die Integration ist. Wie sollen die Kinder, die nächste Generation, Deutsch sprechen lernen, wenn nicht einmal 50% der Klasse diese Sprache sprechen und die Nachbarn am besten auch nicht? Deshalb finde ich auch die Container nicht gut. Man versucht meistens die Flüchtlinge in sozial stärkeren Gegenden unterzubringen, allerdings gibt es dort meistens keinen ausreichenden Wohnraum. Es gibt aber Projekte, in dem z. B. zwei Kinder in die Schule einer sozial stärkeren Gegend gehen.

Carla von Canstein (E1)

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